Geschichte des Kreises
Kreis Pr. Holland 1939 Regierungsbezirk Königsberg, Provinz Ostpreußen
Größe: 858,19 qkm
Einwohner: 37.492
Städte: 2 (Pr. Holland und Mühlhausen)
Gemeinden: 91
Wappen: weißes Ordensschild mit schwarzem Kreuz und in der Mitte ein kleines Wappen, das einen roten Löwen auf goldenem Grund darstellt.
Bedeutende Bauwerke im Kreis:
1. Oberländischer Kanal mit den fünf geneigten Ebenen „Schiffe fahren über die Berge“,
2. Schloß des Fürsten zu Dohna in Schlobitten (heute Ruine),
3. Schloß der Grafen zu Dohna in Schlodien (heute Ruine),
4. Schloß der Grafen Dönhoff in Quittainen (erhalten),
letzte Eigentümerin Marion Gräfin Dönhoff.
Stadt Pr. Holland
1939 genannt „Rothenburg des Ostens“, Kreisstadt, 48 m ü.N.
Einwohner: 6345
Behörden u.a. Einrichtungen:
Amtsgericht, Landratsamt, Staatl. Gesundheitsamt, Kreisarmenhaus, Katasteramt, Arbeitsamt, Finanzamt, Staatl. Hochbauamt, Zollhilfestelle, Gymnasium, Kreisberufsschule, Landwirtschaftsschule, Johanniterkrankenhaus.
Bedeutende Bauwerke:
Steintor, Mühlentor, Schloß, Rathaus, St. Bartholomäuskirche, St. Georgenkirche, mittelalterliche Befestigungsanlage (ca. 1,8 km), Lengenfeldtsches Haus.
Ehrenbürger:
1891 Dr. Carl Benjamin Beeck, Geheimer Sanitätsrat,
1901 Adolf Graf und Burggraf zu Dohna-Schlodien, Mitglied des Reichstages,
1915 Erich Ludendorff, Erster Generalquartiermeister bei der Obersten Heeresleitung,
1918 Karl von Reinhard, Landrat des Kreises Pr. Holland von 1894 bis 1918.
Stadt und Gemeinde Pr. Holland 1998:
Größe: 26.439 ha
Einwohner: 20.200 (Stadtkern: 12.200)
Die Entstehung des Kreises Pr. Holland hatte folgende Geschichte:
Die Besiedlung des Kreises Pr. Holland erfolgte im 13. Jahrhundert durch den Deutschen Orden. Die Siedler, die sich mit der Urbevölkerung, den Prussen – einer baltischen Völkerfamilie zugehörig, die mit den benachbarten Slawen nichts gemein hatten –, im Laufe der Jahrhunderte völlig vermischten, kamen hauptsächlich aus Mitteldeutschland, Westfalen und Holland. Daher zeigte auch das Wappen des Kreises Pr. Holland ein weißes Ordensschild mit schwarzem Kreuz, welches – in der Mitte unterbrochen – ein kleines Wappen enthält, das einen roten Löwen auf goldenem Grunde (Wappen der Niederlande) darstellt. Dieses Kreiswappen, das erst 1935 entworfen und nach Begutachtung des Geheimen Staatsarchivs Berlin genehmigt wurde, lässt also erkennen, dass sich einstmals holländische Siedler unter dem Schutz des Deutschen Ordens hier angesiedelt hatten.
In der herzoglichen Zeit wurde Preußen in drei große Kreise geteilt, in den Samländischen, Natangenschen und Oberländischen Kreis. Der letztgenannte begriff diejenigen Landschaften, welche vom Ermland, dem polnischen Preußen und Masovien eingeschlossen waren, samt dem Amte Ortelsburg, welches auch in Ordenszeiten zur Komturei Elbing gehört hatte, also die 12 Hauptämter: Pr. Holland, Mohrungen, Liebstadt, Pr. Mark, Liebemühl, Osterode, Hohenstein, Marienwerder, Riesenburg, Neidenburg, Soldau, Ortelsburg und die 3 Erbämter: Rosenberg, Dt. Eylau, Gilgenburg.
An der Spitze des Hauptamtes Holland stand ein sog. Amtshauptmann oder ein sog. Amtsverweser, die im Schlosse zu Holland residierten.
Da die 3 großen Kreise sich für die Verwaltung als zu groß erwiesen, so wurde Preußen 1752 in 10 Kreise geteilt, an deren Spitze Kreislandräte traten. Aus dem oberländischen Kreise wurden daher drei Kreise gebildet und zwar der Mohrunger, Marienwerder und Neidenburger Kreis. Zum Mohringer Kreis gehörte u.a. das Hauptamt Pr. Holland.
Der Kreis Preußisch Holland entstand im Jahr 1818 durch Teilung des Kreises Mohrungen auf Grund der im Königreich Preußen angeordneten Neugliederung der Verwaltungsbezirke in Ausführung der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden vom 30. April 1815“. Kreisstadt wurde die – fast im Mittelpunkt des neugebildeten Verwaltungsbezirks – an dem Fluss Weeske landschaftlich schön gelegene Hügelstadt Pr. Holland, die bereits seit dem Jahre 1297 durch den Landmeister des Deutschen Ordens Meinhard von Querfurt Kulmische Stadtrechte erhalten hatte.
In der Zeit seines 127-jährigen Bestehens haben den Kreis Pr. Holland nur sieben Landräte verwaltet (vgl. unten).
Der Kreis Pr. Holland, der vierzehnte südwestlichste Kreis im Regierungsbezirk Königsberg Preußen, grenzte im Norden an den Kreis Braunsberg – Grenzfluss war größtenteils die Passarge –, im Osten und Süden an den Kreis Mohrungen und im Westen an die Landkreise Elbing, Marienburg, Stuhm und damit an den Regierungsbezirk Westpreußen (Marienwerder).
Der Kreis Pr. Holland war 858,19 qkm groß und hatte 1939 nur 37492 Einwohner, davon waren 93 % evangelischer Konfession. Die geringe Bevölkerungsdichte im Kreise Pr. Holland – 43,7 Einwohner auf 1 qkm – war sicherlich auf die fast nur landwirtschaftliche Struktur dieses Gebietes zurückzuführen, ebenso wie in ganz Ostpreußen nur 66,1 Personen auf 1 qkm entfielen.
Der Kreis Pr. Holland war mit seinen 93 Gemeinden und Gutsbezirken, darunter den beiden Städten Pr. Holland mit annähernd 7.000 (1939) und Mühlhausen mit über 3.000 Einwohnern, auf Grund seiner Struktur und Höhenunterschiede von etwa 1 m (Drausenseegebiet) bis fast 180 m über N.N. bei Adl. Blumenau und Neu Münsterberg – gelegen an den Ausläufern des Baltischen Höhenrückens –, seiner verschiedenen Bodenbeschaffenheit und seines unterschiedlichen Klimas einer der eigenartigsten und schönsten Landkreise der Provinz Ostpreußen.
Er gehörte zu den wohlhabendsten Landkreisen Ostpreußens und besaß mit seinen Buchenwäldern, Seen, fruchtbarem Boden, den mittelalterlich anmutenden Städten und großar-tigen Herrensitzen einen seltenen Reichtum. Er wurde als die Perle des Oberlandes bezeichnet.
Der größte Teil der Bevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt, in der die Viehzucht, namentlich die Pferde (-Remonten), Schweine- und Schafzucht eine außerordentliche Rolle spielte.
Neben einem gesunden bäuerlichen Besitz (ca. 50 – 75 ha groß) war bemerkenswerter Großgrundbesitz (im Verhältnis 3:4) vorhanden, der auch bedeutende Laub- und Nadelwälder umfasste. Zahlreiche Bauerndörfer mit ihren schmucken Vorlaubenhäusern und Dorfkirchen – vielfach noch mit Holztürmen ausgestattet – gaben dieser oberländischen Landschaft ihr besonderes Gepräge. Eigentümer der meisten Rittergüter mit ihren schönen Schlössern waren weit über die Grenzen Ostpreußens bekannte Familien, die dem preußischen Staat in seiner jahrhundertelangen Geschichte manche hervorragenden Staatsmänner und Heerführer geschenkt haben. Genannt seien insbesondere die Fürsten zu Dohna-Schlobitten, bei denen Kaiser Wilhelm II. öfter zu Gast weilte, die Burggrafen zu Dohna-Schlodien und Kanthen, die Burggrafen zu Dohna-Lauck, die Grafen Dönhoff-Quittainen, die Grafen Kanitz Podangen, die Freiherren von Minnigerode-Angnitten und Rossitten sowie die Familien von der Groeben-Wiese, von Kuenheim-Spanden und Franckenstein-Dosnitten.
Der Kreis Pr. Holland ist weiterhin durch seine Rollberge bekannt geworden, wo tatsächlich Schiffe über die Berge fahren.
Ein im Jahr 1935 eingeführter Briefstempel (heute eine postalische Rarität) der Kreisverwaltung Pr. Holland machte auf diese Sehenswürdigkeit mit folgendem Text aufmerksam:
„Besucht das ostpreußische Oberland, die fünf geneigten Ebenen im Kreise Pr. Holland, wo Schiffe über die Berge fahren, eine Sehenswürdigkeit Europas.“
Bemerkenswert und für den Kreis Pr. Holland von wesentlicher finanzieller Bedeutung war das nach dem Ersten Weltkrieg noch in den Inflationsjahren gebaute Kreisüberlandwerk in Karwinden, das aus dem hauptsächlich durch Handarbeit (!) im Tagbau gewonnenen Torf elektrischen Strom an Ort und Stelle erzeugte. Dieses kreiseigene, kaufmännisch geführte Unternehmen, das auch an das Ostpreußenwerk angeschlossen war, stellte für die Kreisverwaltung eine beachtliche Einnahmequelle dar.
Für Stadt und Kreis Pr. Holland war ferner eine Einrichtung des Gesundheitswesens – vor allem in finanzieller Hinsicht – von erheblicher Wichtigkeit: das Johanniterkrankenhaus, das von der öffentlichen Hand keine laufenden Zuschüsse erhielt.
Der Landkreis Pr. Holland ist nur 127 Jahre alt geworden, in einem Land, das über 700 Jahre deutschen Menschen Heimat war. Die herausragende politische und historische Bedeutung des Kreises (und Gebietes) Pr. Holland wird durch die Kreisgemeinschaft Pr. Holland in le-bendiger Erinnerung gehalten.
Die Landräte des Kreises Pr. Holland:
Adolf von Hake 1818 – 1841
Ernst Ludwig Hermann Freiherr von Schroetter 1845 – 1876
Clemens von Stockhausen 1877 – 1883
Hans Freiherr von Nordenflycht 1884 – 1893
Karl von Reinhard 1894 – 1918
Dr. Nikolaus Robert – Tornow 1918 – 1933
Joachim Schulz 1933 – 1945